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12.05.2020

Ein Brief: Corona & Toilette

Liebe Freunde,

in diesen Corona-Virus bedingten Zeiten ist man als Bezieher von ärztlichem Ruhegeld selbst in seinem Home-Office ausgebremst, wobei der Begriff Home-Office für einen Chirurgen in einer 24/7 Tätigkeit eher damit verbunden ist, in seinem Dienstzimmer gelegentlich seine Lieblings OP-Schwester bewirtet zu haben. (Damit wir uns nicht falsch verstehen, den Vorgang habe ich Anfang der 1970 Jahre im Altperlacher Krankenhaus kennengelernt, als meine spätere Tätigkeit als Chirurg, abiturnoten-technisch betrachtet, ungefähr so realistisch war wie eine bemannte Marsmission.)

Zurück zum aktuellen Home-Office. Ich las da in einer an sich überflüssigen Hochglanzbeilage meiner Tageszeitung die Begriffe „Technische Finessen wie Fernbedienung, Benutzerkennung, Näherungssensor, Warmluftfön und Sitzheizung“. Da einige von Euch/Ihnen wissen, dass ich recht Auto-affin bin, liegt der Gedanke nahe, es handele sich um die Beschreibung eines Fahrzeuges eines Premiumherstellers.

Weit gefehlt!

Bei der Aufzählung der Stichworte habe ich den „Duschstrahl“ vermieden, denn der findet sich vermutlich in keinem SUV- oder Cabriolet-Prospekt besagter Hersteller.

Es handelt sich um ein Senso Wash® Starck f Dusch-WC für moderne natürliche Toilettenhygiene.

Angesichts von Toilettenpapier-Hamsterkäufen heutzutage eine sinnvolle Einrichtung. Angesichts einer von Jean-Francois Jonvelle Quelle Que J´aime heute eher politisch unkorrekten Photographie eines Bidets wohl überflüssig anmutend, öffnet das von der Firma Duravit zum Preis von rund 4000 € angebotene Dusch WC mit Ikonischem Design und maximalem Komfort doch Gedanken zum Gebrauch.

Wenn „Mann“ zu den älteren Zeitgenossen gehört, doch jung genug ist, noch nicht auf Granufink oder Prostagutt aus der ZDF Vor-Heute-Nachrichtensendungswerbung angewiesen zu sein, denkt man sich: wer wird die Fernbedienung aktivieren, wenn „Mann“ in den Stunden der Hundewache (für Nicht-Wehrpflichtige so gegen 2/3 Uhr morgens) den Drang verspürt? Die Gattin wird sich im Zweifel bedanken, deswegen geweckt zu werden; vice versa dto. Aber das übernimmt sicher der Näherungssensor, der die Brille anheizt, die Kraft des Reinigungsstrahls einstellt, überhaupt den Nutzer erkennt, wenn der, zwischen Bett und Klo,
die, noch einmal Wehrdienst, über acht bis zehn Schritte à 80 cm des Standardmarschierschrittes aller deutschen und internationalen Armeen erkennt.

Umwelttechnisch ruft das Senso Wash® natürlich Zweifel hervor. Dazu muss nicht mal der mit Muskelkraft ausgehobene Donnerbalken aus der Pfadfinderzeit bemüht werden. Für die, medizinische gesehen, Begradigung des colorectalen Übergangs, im Volksmund auch Stuhlgang genannt, werden Ressourcen wie Strom, Steuerungsplatinen, Metalle und Batteriezellen herangezogen, die sich jetzt mit einem relativ einfachen körperlichen Vorgang vergesellschaften lassen müssen. Auch Angehörige fernerer Kulturen mit großen, unerschöpflich erscheinenden Energie-Ressourcen, scheinen den einfachen Spiralschlauch in die Hand zu nehmen, will man dem Toiletten-Design der Airport-Hubs im Mittleren Osten folgen.

Energie ist nicht selbstverständlich. Ich stamme aus der Zeit der autofreien Wochenenden Anfang der 1970er Jahre. Im April 1986 - Tschernobyl -, ich kam von einem Kongress auf einer einsamen medienfreien Schäre und fuhr ich durch menschen- und tierleere Landstriche, verlassener als heute, durch Schweden, Dänemark und Deutschland und auch der SNR-300 Reaktor, in dessen Vorfeld man umliegenden Bauern Fahrradketten von den Rädern nahm, weil man sie für Demonstranten hielt, sind mir als seinerzeitigem Ortsansässigem gut in Erinnerung.

Na gut - Tempus fugit. Wir wollen den Fortschritt nicht aufhalten. Vor allem wollen wir Ältere den FFF-Ikonen nicht zumuten, nach kalter Freitagsdemonstration auf ungeheizter Klobrille einer Infektion zu erliegen.

Wie auch immer, bleibt/ bleiben Sie gesund. The light at the end of the tunnel, temporarily switched off, appears to glow again.

Peter Schroeder am 17.4.2020