Peter Schroeder
 

Blog


12.05.2020

Ein Brief: Corona & Safer Sex

Liebe Freunde,

es ist auf fast auf den Monat fünf Jahre her, dass meine erste Mundschutz-Phase beendet war. Es war immer ein befreiender Moment, mit einem kurzen Ruck den für den letzten Patienten genutzten Mundschutz im OP-Müll zu versenken.

In dieser Phase habe ich viele Jahre in einer Stadt gearbeitet, von der Münsteraner Fernseh-Ermittler behaupten, es gäbe sie nicht, andererseits Udo Lindenberg davon singt, man würde sich dort treffen, wenn sonst schon nicht. Ich hatte dort anlässlich eines Gesellschaftsabends Gelegenheit, den CEO eines ortsansässigen Gummiwarenherstellers kennenzulernen, der, Gerüchten zufolge, den anwesenden Gäst*Innen - für Tanzstundenabschlussball-Absolventen wie mich, den eingeladenen Damen, seine Produkte in ihre Totes und Clutches zu stecken. Das, weiteren Gerüchten zufolge, soll in einigen Partnerschaften Irritationen hervorgerufen haben, weswegen das Mysterium einer weiblichen Handtasche trotz aller Neugier ein solches bleiben sollte.

Das Produkt, von dem bisher die Rede ist, wurde übrigens in Serienfertigung erstmals 1919 von Julius Fromm eingeführt, der persönlich für die Sicherheit garantierte, was aber seine Nachfolger nicht davon abhielt, für eventuelle Ausreißer den NUK-Nuckel zu entwickeln. Fromm hat seinen Betrieb auf tragische Weise verloren und der Name an sich ist für das Produkt ungewöhnlich, denn der (katholisch) Fromme darf es laut immer noch aktueller Enzyklika Humanae Vitae nicht nutzen. Vertrieben wurde das Produkt über Apotheken, Drogerien und Friseure (laut einer Bronzetafel neben dem Kirchenportal in Burford/Oxfordshire hat Heinrich der VIII den damaligen Barbieren erlaubt, als Chirurgen zu arbeiten, was britische Internisten in akademischer Hochnäsigkeit veranlasst, den Operateuren das Tragen des Titels des Dr.med. zu verwehren). Der Friseur bot das Produkt oft mit den Worten „a little something for the weekend, Sir?“ an. Was dann mit dem „Something“ passierte, lässt sich gut in Roy Hattersleys „The Edwardians“ nachlesen, vermutlich Vorfahren der heutigen Brexiteers.

Nun beginnt für Euch, für Sie die erste, für mich die zweite Mundschutzphase. Ab Montag verpflichtend. Wir scheinen das notgedrungermaßen zu akzeptieren, wenn auch die Bereitschaft ungefähr so groß ist, wie zu Zeiten, als Chirurgen noch dachten, der Mundschutz, damals aus wasch- und bügelbarem Stoff, sei nicht notwendig. Auch jetzt erwecken die Verlautbarungen den Eindruck, dass nicht so ganz klar ist, was, wer wen und wovor schützt, obwohl das nicht so schwierig ist. Das Problem dabei ist, dass die verordnende Behörde nicht in der Lage war und ist, ausreichend Material zur Verfügung zu stellen. Der Brillenträger wird dabei wissen oder bald feststellen, dass die Ausatemluft die Brille beschlagen lässt, also nach oben entweicht, weswegen der gegenseitige Mundschutz zwingend ist.

Nachdem die operativen Masken aus Stoff aus naheliegenden Gründen ausgemustert wurden, ist die Idee, ein Schal oder Halstuch oder eine selbstgenähte Maske sei ein Schutz, doch skurril, sind doch Siff und Seuche schon nach wenigen Stunden in den Maschen gefangen. Dafür hat meine Tageszeitung vor ein paar Tagen empfohlen, einen Wechsel nach 6+ Stunden vorzunehmen, bei 90o oder länger bei 60o zu waschen. Auch müsse länger gebügelt werden. Die besorgte Hausfrau wird vorher noch einmal den weißen Pflegehinweis studieren und eher auf solche Maßnahmen verzichten wollen.  Im weiteren Text werden Mikrowelle oder Tiefkühltruhe nicht empfohlen. Eigentlich macht all dies wie beim eingangs erwähnten Produkts auch keinen Sinn. Die Botschaft sind „Einmalartikel“. Man kann nur hoffen, dass unsere Regierenden über mehr Expertise verfügen als so mancher Geschäftsführer meiner ersten Mundschutzphase, für die der Begriff „Einmalartikel“ durchaus dehnbar war.

Tragt den richtigen Einmal-Mundschutz! Fei von Enzykliken oder sozialem Status. Versagt das erstgenannte Produkt, kann man sich ggfls. über (Groß-) Elternschaft freuen, nutzt man den Mundschutz jetzt nicht, wird´s möglicherweise überhaupt nichts mit der (Groß-) Elternschaft.

Vielleicht wird der Mundschutz überhaupt ein Muss, denn laut Umweltbundesamt versterben jährlich etwa 45000 Menschen an den Folgen von Feinstaub.

Angesichts von Versammlungs- und Besuchsverbot ist es unwahrscheinlich, dass ein großzügiger CEO das Mysterium mit Masken füllt. Oben genannter CEO hat sich längst mit dem Nabu (Naturschutzbund Deutschland e.V.) zusammengetan und legt seiner Bee Happy Packung eine Karte mit Wildblumen-Samen - Lavendel, Phazelie, Kamille, Ysop, Sonnenhut - bei, „damit jeder selbst eine kleine Oase für Bienen schaffen kann“.

Gerade kam im Radio die Nachricht, dass Renten und Finanzeinlagen sicher seien. Der maskierte Sonnenbrillenträger in einer Bankfiliale müsste demzufolge ein Kunde und kein Bankräuber sein.

Bleiben Sie in Ihren Oasen gesund und auf bald

Ihr
Peter Schroeder 24.04.20

Peter Schroeder - 08:00 @ Allgemein, Gesellschaft, Gesundheit | Kommentar hinzufügen