Peter Schroeder
 

Blog


19.05.2020

Es ist Spargelzeit

Es ist schon seit geraumer Zeit Spargelzeit, was aber nicht aufgefallen ist, weil die Spargelbuden an den Straßenkreuzungen nicht aufgebaut waren. Gleichzeitig ist immer noch Home-Office Zeit. Nachdem die Mütter den Muttertag absolvierten, der ursprünglich eine amerikanische Erfindung war, dann aber in Deutschland ca 1922/23 vom Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber mit Plakaten „Ehret die Mutter“ in den Schaufenstern unpolitisch eigeführt wurde, während die Männer und Ehegatten lieber Josephine Baker in ihrem Bananenkostüm huldigten… Der Satz ist viel zu lang, um ein glückliches Ende zu finden.

Nachdem also die Mütter den diesjährigen Muttertag hoffentlich gesund überstanden haben, finden sie sich wieder in der üblichen durchs Homeoffice verstärkten Rolle wieder: …hat sich die Belastung vor allem für einen Elternteil stark erhöht. Dieser ist gerade dann die Mutter, wenn sie im Home Office arbeitet…und den ganzen Tag hauptamtlich für Ernährung, Frischluftphasen und pädagogische Programm zuständig ist. So jedenfalls Meredith Haaf in einem Kommentar der SZ am Samstag vor dem Muttertag.

Dabei kochen Männer gerne, wie der österreichische Lebens- und Sozialberater und Kommunikationstrainer, Albert A. Feldkircher schreibt: Für ihn ist Kochen eine sinnliche Tätigkeit:  Ob ich eine Feige caramelisiere, ein Eidotter teile, den Teig knete: All das kitzelt die Sinne und lässt die männlichen Fantasien kreisen. Was mag Männer wohl zum Kochen motivieren? Kochen ist eine gute Möglichkeit, seinen Lieben oder Freunden seine Wertschätzung zu zeigen.

Na, ja, den letzten Satz will ich mal so nicht glauben. Vermutlich ist die Wertschätzung grösser, wenn man als Mann nicht allzu viel Schmutz ins Haus trägt und Spinnweben nicht für Kunstwerke hält.

Tatsächlich koche ich auch gerne, meistens mittwochs, weil da Markttag ist und die Metzgerin „15 € gradaus“ sagt, noch eine Wiener dazulegt und der Gemüsestand gegenüber ein paar Mandarinen gratis in den Korb legt. Die Wiener bekomme ich als Wegzehrung, weil ich auch im Winter die 2×3 km mit dem Rad fahre. Abends beginnt der Kochvorgang mit einem oder zwei trockenen Martini, bevorzugt mit Gordon´s und Noilly Prat. Bruno, Chef de Police in der Region Périgord, schreibt in seinem letzten Fall Connaisseur einen minutengenauen Kochablaufplan. So genau bin ich nicht, auch wenn es eine Freude ist, die Kräuter vom Hochbeet zu ernten und den Wein aus dem Keller zu holen.

Spargel dagegen zu kochen, ist relativ einfach, 20 Minuten, ein paar mehr oder weniger, dazu die Beilage als Fleisch oder Fisch rechtzeitig zu braten oder grillen - schwierig ist nur, nicht so viele Martinis zu trinken, dass Tischdecken und Servieren zur eigentlichen Herausforderung werden.

In meiner vor Jahrzehnten gerade endenden Adolszenz, einen Führerschein gab es schon, war Spargel noch ein Luxusprodukt, war er zeitlich nur wenige Wochen um Pfingsten angesiedelt. Außerdem wurde der heimatliche Spargel in einem Dreieck angebaut, dessen Hypotenuse von Rheinberg (Underberg), Kevelaer (Wallfahrtsort seit 1642) begrenzt war und dessen Mittelsenkrechte auf Walbeck, einen Bauernweiler mit einem allerdings schönen Wappen, zeigte. Die Spargelbauern räumten ihre Scheunen, stellten ein paar Tische auf, servierten Spargel, Salzkartoffeln, gekochten Schinken und Buttersoße.

Die Fahrt dorthin war, von einem protestantischen Streifen längs des rechten Rheinufers ausgehend, quasi eine Reise ins  religiös-mentale Ausland, denn es ging in den katholischen linken Niederrhein, auf die Schääle Sie oder, wenn man eher dem verständlicheren Kölner Dialekt zuneigt, auf die Schäl Sick.

Heute ist der Spargel demokratisch, er wächst  ab Ostern unter Plastikplanen - es scheint, dass die Erntehelfer (und Schlachthofmitarbeiter) aus dem Osten, die in Deutschland einmal Fremdarbeiter hießen, nicht viel besser untergebracht sind, glaubt man der aktuellen Berichterstattung, die auch zu der Schlussfolgerung zwingt, dass unser Land nicht allzu viel dazugelernt zu haben scheint. Ökologisch ist der Spargel ebenfalls eine Katastrophe.

Da Spargel die Gemüseart mit der größten Anbaufläche in Deutschland ist, allerdings mit deutlich geringerem Hektarertrag als andere Gemüse, wird oft kritisiert, dass der Anbau des „Luxusproduktes“ Spargel nicht mit einer effizienten Nutzung der Agrarfläche zu vereinbaren ist, zumal sich die Ackerfläche zugunsten von Blumenwiesen reduziert.

Unsere oberste Grünenköchin Annalena Charlotte Alma Baerbock mag wohl lieber Spargel essen, als dagegen zu protestieren, sonst würde sie diese Gelegenheit nicht missen wollen.

Sie/Ihr haben/habt sicher erkannt, dass ich mit meinen niederrheinischen Wurzeln von „Soße“ sprach und nicht von „Sauce“.

Saucen gibt es viele, hauptsächlich fünf: Béchamel, Velouté, Tomate und Espangnole als Standards. Dazu noch die die Hollandaise, während  die  Bérnaise, schon in die höhere Küche gehörend, dem Spargel einen besonderen haut goût verleihen will,  wovon am Muttertag vermutlich kaum jemand spricht, am allerwenigsten die Sinnengekitzelten von oben, weil sie den Unterschied vielleicht gar nicht kennen: den der Acidität, die bei der Hollandaise der Zitrone entstammt, bei der Bérnaise dem reduziertem Weißweinessig. Dagegen Tiffany Case, die in Ian Fleming´s Diamantenfieber bezaubernd von Jill St John im Baby Doll gespielt (die Jüngeren müssen den Begriff evtl. googeln), James Bond fragt:

„Bestelle mir noch einen Drink und verrate mir, welche Sorte Frauen Deiner Ansicht zu dir passen würde“

„Eine Frau, die eine Sauce Bérnaise zubereiten und genauso gut lieben kann.“

Bond erreichen in seiner Kabine des Ozeandampfers eine halbe Flasche Bollinger, vier Stück Roastbeef und der Satz Diese Sauce wurde von Miss T Case ohne meine Hilfe zubereitet. Der Küchenchef.

Die Liebesgeschichte war nicht von Dauer. Möglicherweise auch deswegen, weil Sauce Bérnaise wie Salzburger Nockerln oder Yorkshire Pudding bei unsachgemäßer Zubereitung eine Tendenz zum Zusammenfallen haben.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch andere kulinarische Tests zur Prüfung der Partnerschaftsreife wenig zielführend waren: in meiner illustren Verwandtschaft gab es einen Großonkel, Fahrer eines weißen 190SL mit roten Sitzen und elfenbeinfarbigen Lenkrad, der gerne in der Loisach Forellen angelte. Seine jeweilige Gespielin musste dann den Forellentest absolvieren, sprich, dieselbe zubereiten, um bis zum nächsten Forellenfang an seiner Seite bleiben zu können. Ich erinnere mich allerdings nicht mehr daran, wie oft er zum Angeln gegangen ist.

So lange sollten meine Gedanken zu Spargel und Sauce Bérnaise Ihre/Eure Aufmerksamkeit gar nicht beanspruchen. Wenn Ihr/Sie bis hier durchgehalten habt/haben, ist die Spargelsaison möglicherweise schon vorbei.

Beste Grüße
Ihr Peter Schroeder

Peter Schroeder - 13:02 @ Allgemein, Gesellschaft | Kommentar hinzufügen