Peter Schroeder
 

Blog


19.05.2020

Männer sind coole Typen.

Liebe Freunde!

Männer sind coole Typen.

Klaro, wissen wir, brauchen wir nicht weiterzulesen. Sagen die geneigten männlichen Leser. doch bevor die jetzt weniger geneigten Leserinnen gleich auf den Erase-Button drücken, lade ich sie ein, mit nach Stanford/California zu fahren.

Zuvor ein paar Worte zum Grund der Reise. Unsere aktuelle Perspektive ist von rechten Winkeln geprägt: der Bildschirm von Smartphone, Tablet, Laptop, PC, selbst die gehamsterte Klopapierrolle ist in ihrer Grundstruktur rechteckig. nicht zu vergessen auch das Fernsehgerät, wo in einer montäglichen Quizsendung u.a. gefragt wurde, ob und wie die durchschnittliche Körpertemperatur des Mannes seit etwa 1860 gesunken sei.

Tatsächlich war die richtige Antwort die des Temperatursturzes bei der männlichen Variante des Homo Sapiens. Eine Quizshow selbst im gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen liefert natürlich keine Erklärung für eine solche These, höchstens eine Reklame für Reizdarm oder nachlassende Hirnleistung. Der nachfragende Zuschauer oder Leser muss dann eine wissenschaftliche Literaturdatenbank bemühen, bei denen die Tags „Stanford, body temperature“ bald das richtige Ergebnis liefern. Decreasing human body temperature in the United States since the industrial revolution heißt die Arbeit, die der Quizfrage zugrunde liegt. Man findet auch andere wissenschaftliche Beiträge wie Quantum engineered Kondo lattices oder Circadian Responses to Fragmented Light: Research Synopsis in Humans.  Kondo lattice sollen, weil sie aktuell nicht zur Verbesserung der Weltsituation beitragen, nicht weiter erwähnt werden, man kann aber für $8.99 in „Nature“ darüber nachlesen. Die andere Arbeit unterstützt die Idee unserer Regierenden, in Zeichen des Lockdowns bei Tageslicht spazieren zu gehen, um gesund zu bleiben.

Der Temperatur-Aufsatz aus Stanford wurde im „Elife“ publiziert, das einen Impact Faktor von 7.551 hat. Der Impact-Faktor ist so etwas wie die Oktan-Zahl beim Benzin oder die Falstaff-Bewertung beim Rotwein und für „eLife“ vergleichsweise gering, wenn man den vom „Nature“ mit 43.070 kennt. Mit anderen Worten: ungefähr 6 Aufsätze in „eLife“ sind notwendig, um auf den Wert von einem Nature-Artikel zu kommen, der wiederum der Ritterschlag für den angehenden Professor ist.

Und wenn der Arzt ein Professor ist, ist er schon einmal ein cooler Typ, zumeist jedoch in eigener Einschätzung

37o Celsius sind der Standard, heute sozusagen das Visum, das Mobilität ermöglicht, wenn vermummte Ordnungshüter per digitalem Fernthermometer den Daumen heben oder senken. Der Leipziger Arzt Carl Reinhold August Wunderlich hat den Wert 1871 festgelegt, nachdem er  25.000 Patienten millionenfach ein Thermometer in die Achselhöhle geklemmt hatte. Der Wunderlich´schen Temperaturtheorie von 37o wurde die damals kurze Lebenserwartung von 38 Jahren zugrunde gelegt, die wiederum auf temperatursteigernde Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Syphilis oder Periodontitis zurückgeführt wurde. Die Wissenschaftler aus Stanford untersuchten die Frage nicht aus „müßiger Neugier/idle curiosity“, sondern sie spekulierten, dass Temperaturveränderungen real seien und wertvolle Hinweise auf Veränderungen unserer Gesundheit und auf Langlebigkeit geben könnten.  Um die 11-seitige Arbeit etwas einzudampfen: das Ergebnis ist, dass seit Wunderlich die Körpertemperatur von Männern jährlich um 0.03o C abgenommen habe und die Differenz aktuell bei 0.59o liege. Bei Frauen sind die Zahlen 0.029o C bzw. 0.32o C. Vor allem amerikanische Temperatur-Experten haben Wunderlich mehr als hundert Jahre später fehlerhaftes Arbeiten vorgeworfen - kennen wir ja inzwischen vom presidential-physician. Insgesamt scheint es eher ein Streit um des Kaisers Bart zu sein, denn aus Stanford kommt zum Schluss der Arbeit die Weisheit: „The role that this physiologic evolution plays in human anthropmetrics and longevitiy is unknown“. Dem könnte man hinzufügen „So, what?!“

Möglicherweise ist es doch von Bedeutung für den Grenzübertritt, wobei wir hoffen, dass der Modell-Eisenbahner Horst sich auf Wunderlich verlässt, denn 37.5o C könnten bei dem neuen Basiswert aus Stanford Quarantäne oder Zurückweisung bedeuten. Die knappe Frontscheibe meines mehr als 40 Jahre alten britischen Roadsters lässt einen coolen Kopf zu, der moderne Cabriolet-Fahrer sollte einige Kilometer vor der Grenze den wärmenden Head&Neck-Scarf abschalten, denn Luxus könnte Widerspruch bei den Reiseplänen, Reichensteuer und andere Unannehmlichkeiten hervorrufen.

Schengen ohne Thermometer und Notwendigkeitsbescheinigung: Bald soll es soweit sein.

Beste Grüße

Peter Schroeder

Peter Schroeder - 13:13 @ Allgemein, Gesellschaft, Panorama | Kommentar hinzufügen